Schultradition

Vor einiger Zeit besuchte ein Hundertjähriger seine, jetzt unsere Schule. Die Enkel von Heinz Hennersdorf hatten uns den Wunsch des Großvaters zum 100. Geburtstag, seine Schule zu besuchen, mitgeteilt und einen Termin vereinbart. Nach seinem Besuch am JWG schrieb er folgende Zeilen:

 

Sehr geehrte, liebe Frau Heinecke,

diese Anrede erlaube ich mir, weil Sie mich in so netter Weise informiert haben und so lieb waren, Ihre Freizeit für die für mich so interessanten und alten Erinnerungen weckende Besichtigung zu opfern.                                                                                                                      Außerdem besitze ich auf Grund meines Alters eine gewisse Narrenfreiheit, sodass ich mir dies, trotz Ihres eventuellen Missfallens, erlauben kann. Für mich war es eine sehr schöne, interessante,  unvergessliche Stunde,  für die ich mich recht herzlich bei Ihnen, liebe Frau Heinecke, bedanke. Durch das Gesehene und Ihre Schilderungen wurden alte Erinnerungen geweckt, die mich auch in nächster Zeit noch beschäftigen werden.

Für mich war dieses interessante Treffen eine Art Jungbrunnen.

Gern hätte ich, gleich im Anschluss an die Führung, mit einigen daran interessierten Lehrkräften und Schülern ein Plauderstündchen darüber durchgeführt, wie vor 80 Jahren z. B. das Abitur gefeiert und all die von Ihnen im Bildband festgehaltenen außerschulischen Aktivitäten abliefen.

Durch Arbeitsdienst, Wehrpflicht, Krieg und Kriegsgefangenschaft wurden für mich aus den vorgesehenen 3 Jahren 11 Jahre, bevor ich ein Studium aufnehmen konnte.

Schade, dass wir nicht mehr Zeit hatten, es würde auch durch mich viel Interessantes und Unbekanntes zu berichten geben.  So habe ich z. B., da ich Abiturient war und studieren wollte, nachdem ich 5 Jahre Soldat war,  1941 ein Trimester Studienurlaub erhalten. Dies war eine staatliche Festlegung, die kaum bekannt ist. Um möglichst schnell Nachschub an Soldaten zu bekommen, wurde das Studienjahr in drei Semester geteilt. Als Abiturient und sportlich gut wurde ich 1937, wie üblich, Reserveoffiziersanwärter. Der normale Bürger dachte damals doch nicht an Krieg.

So wurde ich während des Krieges Leutnant und Oberleutnant der Reserve. Im April 1945 kam ich im Rheinland in amerikanische Gefangenschaft, aus der ich ganz offiziell mit den entsprechenden Papieren im Frühjahr 1946 entlassen wurde und in einem Sammeltransport in die damalige sowjetische Besatzungszone kam, wie es mein Wunsch war.

Als ehemaliger Offizier durfte ich aber nicht, wie die anderen Entlassenen, von Erfurt aus nach Hause fahren, sondern mein Entlassungsschein wurde eingezogen und ich wurde über die Zwischenstation KZ Sachsenhausen zum Arbeitseinsatz in die SU transportiert. Erst im Dezember 1947 kam ich dann mit einem Gewicht von 45 kg endlich zu Hause an. Auch hier wurde mir der Entlassungsschein wieder abgenommen, da ich mich als ehemaliger Offizier alle vier Wochen bei der Kreiskommandantur der Roten Armee melden musste.

Entschuldigen Sie bitte, dass ich unbeabsichtigt über mich berichtet habe. Dies war zu Beginn des Schreibens nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben. Es sollte eigentlich nur ein Brief mit einem Dankeschön für Sie werden.

Da die 2 Alten (beide 89 Jahre) im nächsten Jahr in Belgern ihre Gnadenhochzeit (70 Jahre) haben und der Uralte (99 Jahre) 1947 kurz nach der Heimkehr an der Hochzeit teilgenommen hat, wollen wir das Jahr 2017 noch erleben und gemeinsam feiern. So haben wir es „beschlossen“. Vielleicht treffe ich Sie dann noch einmal, und zwar als Frau OStD Heinecke.

Nochmals recht herzlichen Dank und alles, alles Gute für die Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Hennersdorf

 

 

Sehr geehrter Herr OStD Nowack,

haben Sie recht herzlichen Dank für die mir von der Schulleitung des Johann-Walter-Gymnasiums überreichte Aufmerksamkeit, die mir das neue Gesicht sowie den erweiterten Aufgabenkreis gegenüber meiner damaligen Schule, dem Mackensen-Gymnasium, anschaulich sichtbar macht.

Für mich war dies alles eine große und sehr schöne Überraschung, da ich ja nur mit dem Anblick der nicht zugänglichen Gebäude des Gymnasiums gerechnet und bedauert hatte, dass mein Besuch an einem unterrichtsfreien Tag erfolgen musste.

Die Möglichkeit der Besichtigung, verbunden mit den interessanten, ausführlichen Schilderungen durch Frau Heinecke, war eine völlig unerwartete, große und sehr schöne Überraschung, da mir meine Enkel dies bewusst verschwiegen hatten.

Von dem von Schülern gestalteten Bildband über das schulische und außerschulische Leben am Johann-Walter-Gymnasium bin ich sehr angetan. Er weckt viele gute und weniger gute Erinnerungen an meine Schulzeit, die ich damals nicht so ernst, sondern viel zu leicht genommen habe. Sie musste eben sein und mehr oder weniger gut durchgestanden werden! Ganz anders war es dann 11 Jahre später, als ich mit überwiegend 11 Jahre jüngeren, frischen Abiturienten das Studium aufnahm.

Nach dem Abitur stand uns damals ja erst einmal der ungeliebte Arbeits- und Wehrdienst bevor. Aus diesem hierfür eingeplanten dreijährigen Zwangsdienst wurden für mich aber leider durch Krieg und Kriegsgefangenschaft mehr als 10 Jahre!

Als Abschluss nun noch wenige Sätze zu meinem Eindruck über das Gesehene und Bestaunte. Mir war vor meinem Besuch lediglich bekannt, dass die „Alltagskirche“ zur Aula umgestaltet wurde. Ich kenne die „Alltagskirche“, wie sie damals genannt wurde, nur als eine Art riesengroßen Abstellraum (Rumpelkammer). Jetzt ist sie eines der vielen neuen Schmuckstücke des Johann-Walter-Gymnasiums geworden.

Für die Zukunft wünsche ich Ihnen persönlich, dem Lehrkörper insgesamt und den Schülern viele schöne Erfolge und alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Hennersdorf

 

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