Mein Name ist Georg Jäschke und ich bin nach Abschluss der 10. Klasse am Johann- Walter-Gymnasium nach Neuseeland geflogen, um dort an einem einjährigen Schüleraustausch teilzunehmen.
Beschreibe bitte deinen Schulalltag!
Mein Schulalltag beginnt 8:45 und endet 15:15. Man hat täglich die gleichen sechs Fächer und kann davon als Austauschschüler fünf frei wählen, als einheimischer Schüler vier. Mein einziges Pflichtfach ist Englisch. Doch mittlerweile ist mir freigestellt, ob ich am Englischunterricht für die Austauschschüler oder für die akademischen Schüler teilnehmen möchte. Zwischen den Blockstunden haben wir genau zwei Pausen, die jeweils 30 Minuten bzw. eine Stunde dauern. Die Dauer eines Schultages ist für jeden Schüler gleich, das heißt, es gibt keinen früheren Start, keine Freistunden oder ein späteres Ende gibt.
Bevor ich an meine Schule in Neuseeland kam, bekam ich eine Schuluniform.
Am Eingang unserer Schule stehen sogenannte „prefects“. Das sind knapp 50 freiwillige Schüler von insgesamt 1550 an unserer Schule, die als besonders verantwortungsbewusst gelten. Sie sind zuständig für bestimmte Bereiche an der Schule. Ich bin „international prefect“ und somit verantwortlich für die kommenden Austauschschüler im nächsten Jahr.
Gibt es Unterschiede zwischen der neuseeländischen und unserer deutschen Schule?
Unsere Schule ist im Gegensatz zum JWG aus mehreren Gebäuden aufgebaut, die sich auf ein Wissensgebiet beschränken. Hier gibt es viele außergewöhnlichere Fächer als in Torgau. Wir behandeln im Unterricht zum Beispiel Kochen, Holzarbeiten, Metallarbeiten, Elektrotechnik, Astronomie, Design, Fashion, Tanzen, Chinesisch, aber natürlich gibt es hier auch alle anderen Fächer, die ich vom JWG kenne.
Welche Anregungen / Verbesserungsvorschläge bringst du mit ins JWG?
Es ist schwer von hier aus Verbesserungsvorschläge mitzunehmen, da das gesamte Schulprinzip komplett unterschiedlich ist. Ich kann demzufolge auch nicht sagen, welches der Systeme besser ist, da man hier verschiedene Gesichtspunkte in Betracht ziehen muss. Deutsche Schulen haben von der internationalen Ebene gesehen einen sehr hohen Bildungsstandard, sodass ich selbst merke, dass die deutschen Schüler den neuseeländischen in fast allen Bereichen weit voraus sind. Besonders in Mathe zeigen sich diese Differenzen extrem. Ich hatte genau eine Mathestunde beim 12er Kurs. Doch da habe ich gemerkt, dass es keinen Sinn machen würde, weiter daran teilzunehmen, da ich nicht auf dem deutschen Mathestand bleiben würde. Die Schüler sollten eine Aufgabe aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung bearbeiten, die wir bereits im 8. Schuljahr in Deutschland durchgenommen hatten. An diesem Beispiel erkennt man deutlich, dass die deutsche Bildung sehr zielgerichtet und genau ist, sodass sie ihre Wirkung nicht verfehlt.
Jedoch muss ich sagen, dass es auch große Vorteile des neuseeländischen Systems gibt.
Ich, als ausländischer Schüler, bin hier keine Seltenheit / Rarität. Es kommen jährlich ca. 270 internationale Schüler an unsere Schule, dabei werden die asiatischen Schüler noch gar nicht mit einberechnet, die hier länger als ein Jahr bleiben. Doch sie kommen meist nicht wegen eines Schüleraustauschs, sondern wegen des weltoffeneren und freudigeren Sprachenlernens. Deshalb bleiben sie meist 5 bis 8 Jahre und planen sogar oft das Land nicht mehr zu verlassen. Die kulturelle Vielfalt m Long Bay College ist unglaublich und sehr positiv. In meiner gesamten Zeit, die ich schon hier verbringen durfte, habe ich noch nicht eine einzige abfällige Bemerkung gegenüber ausländischen Schülern oder auch Lehrern gehört. Die Herzlichkeit und Freundlichkeit, welche in Neuseeland überall zu finden sind, übertreffen die deutsche bei Weitem. Das hängt zwar sicherlich nicht nur mit dem Bildungssystem zusammen, aber dieses spielt schon in den entscheidenden Jahren der Jugend eine unbestreitbar wichtige Rolle. Ich bin sehr dafür, dass wir das Programm für internationale Schüleraustausche in Deutschland erweitern.
Was gibt es Besonderes in deinem Wohnort zu sehen?
Mein neuer Wohnort ist eine Großstadt und mit mehr als 1,4 Millionen Einwohnern die größte Stadt Neuseelands. Neuseeland selbst hat lediglich knapp 4,5 Millionen Einwohner, aber im Gegensatz zu Deutschland mit rund 227 Einwohnern pro km² hat es nur 17 Einwohner pro km².
Auckland, die Stadt in der ich lebe, ist somit der Ort, an dem sich beinahe alles in diesem Land abspielt.
Die Innenstadt hat viel zu bieten. Es gibt den sogenannten Skytower, der die Hauptattraktion ist. Auch ein sehr modernes und schönes Hafengelände hat die Stadt zu bieten, sowie viele Museen, die uns keinen Eintritt kosten, über die Kultur der Eingeborenen, Rugby, Walfang, Segeln und vieles mehr.
Demzufolge sind ein paar Freizeitaktivitäten nicht schwer zu finden, da auch die Neuseeländer im Allgemeinen sehr bewegungsfreudig und aktiv sind.
Die Schule selbst bietet auch viele unterschiedliche Aktivitäten an, die sich um jegliche Sportarten sowie Musik, Tanz, Kunst, Sprachen und Technik drehen. Ich persönlich finde die Idee des gratis zu benutzbaren Fitnessstudios extrem gut, da es viele Schüler dazu anregt, Sport zu machen, auch wenn diese sich eigentlich ungern übermäßig bewegen.
In den Ferien kann man noch mehr von der Stadt kennenlernen. In der Freizeit kann man etwaige Attraktionen wie Paintball, Trampolinparks, Thermen und viele Strände besuchen. Das Beste daran ist, dass man überall mit dem Bus hingelangen kann, da diese in der Regel mindestens einmal in der Stunde fahren.
Wie würdest du die Mentalität der Menschen beschreiben?
Die Menschen sind definitiv das freundlichste Volk, dem ich je begegnet bin und voraussichtlich begegnen werde. Jeder kümmert sich hier um den anderen und es gibt erstaunlicherweise wenig Kriminalität. Die Leute sind praktisch immer froh und genießen das Leben in vollen Zügen. In diesem Land sind die einzigen grimmigen Leute, auf die man trifft, die Touristen aus Europa, die im Schnitt durch den Jetlag nicht schlafen können. Doch nach den ersten 2 Tagen legt sich auch dieses negative Verhalten wieder.
Welche Vorurteile / Erwartungen haben sich bekräftigt, welche widerlegt?
Wer an Neuseeland denkt und schon einmal ein bisschen was darüber gehört hat, hat sicherlich in erster Linie den Sport Rugby oder auch den kleinen Vogel „Kiwi“ im Kopf. Tatsächlich sind die Neuseeländer noch verrückter nach Rugby, als man denkt. So wie in Deutschland fast jedes Dorf seine eigene Fußballmannschaft aufgebaut hat, so gibt es hier Rugbymannschaften. Ich selbst habe diese Sportart schon einmal ausprobiert und sogleich ziemlichen Respekt vor den Spielern bekommen. Was die Spieler in diesem Sport an körperlicher Anstrengung und an Schmerz investieren, ist undenkbar. Es gibt nur wenige Rugbyspiele, bei denen keine Prellungen, ausgekugelte Schultern, gebrochene Knochen und Bänderrisse auftreten. Dieser Sport ist viel härter als jedes Fußballspiel.
Der Kiwi-Vogel ist ein kleiner und tatsächlich ziemlich dummer Vogel. Er ist beinahe ausgestorben und sehr selten zu sehen. Anders als das Känguru in Australien haben nur wenige Neuseeländer wirklich schon einmal einen Kiwi gesehen. Trotz dessen ist es amüsant, dass man die Neuseeländer auf Englisch Kiwis nennt.