Geschichtscamp Sandbostel

Seine Familie, sein Zuhause, seine Freunde zu verlassen und somit sein ganzes Leben hinter sich zu lassen ist für jeden Menschen eine furchtbar schwere Entscheidung. Eine Entscheidung, die das ganze Leben verändert und in eine ungewisse Zukunft führt.

Genau mit solchen Entscheidungen mussten sich die Menschen, welche von 1949 bis 1961 aus der DDR in die BRD flüchteten, beschäftigen. Sie ließen ihr bisheriges Leben hinter sich und hatten oftmals nicht einmal die Gelegenheit, sich von ihren Liebsten zu verabschieden, und auch ihre Zukunft in der BRD war unsicher. Es war nicht klar, ob sie dort die Chance auf eine Zukunft haben, ob sie Anschluss finden würden, wo sie wohnen sollten, ob sie ein Leben hinter der Grenze ihres Landes führen konnten.

Nicht vergessen sollte man hierbei auch, das derartige Fluchtvorbereitungen mehrere Jahre andauerten und stets die Gefahr eines Auffliegens bestand. Ob die Flucht gelingen würde, welche Konsequenzen bei einem Scheitern der Flucht drohten, war nicht klar.

Mit diesen Themen beschäftigten sich die elften Klassen bei dem zweiten Teil ihres Geschichtsprojektes in Sandbostel.

So begann das Projekt bereits montags in der Frühe mit der Fahrt zur Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Hier gewannen alle Schüler*innen einen Einblick in das Kontrollverfahren an der Grenze, welches notwendig war für eine Einreise in die DDR, um beispielsweise Verwandte zu besuchen. Plante man einen solchen Besuch, musste man sich auf akribische Passkontrollen, Befragungen, Fahrzeugkontrollen, Zwangsgeldumtausch und vereinzelt sogar Leibesvisitationen einstellen. Diese Verfahren wurden durchgeführt, um Fluchtversuche zu unterbinden und zu gewährleisten, dass keine Personen heimlich mitgeführt werden. So wurden einzelne Kontrollen lediglich durchgeführt, um Unbehagen auszulösen und Reisende aufzuhalten.

Bei der Führung an der Gedenkstätte hatten die Teilnehmer*innen die Chance, auch einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, z.B. konnten sie die Räume der Kontrolleure betreten und so den Ablauf besser nachvollziehen.

Danach ging die Fahrt weiter nach Oese, wo sich unsere Unterkunft befand, in der die Schüler*innen die nächsten zwei Tage unterkamen. Der Tag wurde abgeschlossen mit dem Film „Das schweigende Klassenzimmer“, welcher auf einer wahren Begebenheit beruht und bei allen einen bleibenden Eindruck hinterließ. Es geht um eine Abiturklasse die im Jahr 1956 mit einer Schweigeminute stillen Protest übt und anfängt das Handeln des Regimes zu hinterfragen. Dies gefiel der Regierung jedoch gar nicht und schlussendlich flohen fast alle Jugendlichen in die BRD.

Am Abend konnten sich alle Schüler*innen auch noch einmal beim Volleyballspielen auspowern.

Am zweiten Tag fuhren die Teilnehmer*innen in den Nachbarort Sandbostel, wo ehemalig ein Lager für Geflüchtete war. Die Schüler*innen begaben sich mittels Biografien auf die Spuren von ehemaligen Flüchtlingen und bekamen danach einen Einblick in das Gelände des Lagers, welches vor allem mit seiner Größe überraschte. In sogenannten Baracken schliefen in einem Zimmer bis zu 15 Mann. Interessant war dabei auch zu erfahren, dass dieser Ort sogar doppelt geschichtsträchtig ist, denn er diente davor als sowjetisches Kriegsgefangenenlager, wovon die Geflüchteten aus der DDR zur damaligen Zeit jedoch nichts wussten. Mit zwei anschließenden Zeitzeugen Gesprächen konnte das Gelernte gefestigt werden. Herr Wernstedt und Herr Gröbe erzählten offen und ehrlich ihre Geschichte und waren bereit jede Frage zu beantworten. So hat man zu dem Gehörten nun auch persönliche Schilderungen erhalten, welche alles noch eindrucksvoller machte.

Beendet wurde, der Tag und somit auch das Geschichtscamp mit einem gemeinsamen Grillen, Volleyballspielen sowie dem Zusammensitzen am Lagerfeuer.

Außerdem wurde im Ramen des Projektes von allen Schüler*innen ein Tagebuch erstellt, in dem das Gelernte noch einmal persönlich aufgearbeitet wurde. Ein weiteres Highlight stellt der produzierte Geschichtsfilm dar, den ihr auf unserem YouTube Kanal JOWAX TV anschauen könnt. Auf der Website www.hi-stories.de könnt ihr des Weiteren Kalendereinträge zu besonderen Daten, welche die deutsche Geschichte prägten, finden.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass alle Beteiligten das Geschichtscamp als sehr interessant und aufschlussreich empfanden. Abseits von dem normalen Schulalltag konnten die Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam historische Ereignisse aufarbeiten und so weitere Eindrücke gewinnen.

– Elli Krieg, Lea Ziegenhorn, Tabea Wenselau, Nora Paul

„Die Geschichtsprojektfahrt war richtig schön. Ich denke, dass die Schülerinnen und Schüler viel mitnehmen konnten, die Führungen waren sehr interessant und abwechslungsreich gestaltet und das Interview mit ehemaligen Geflüchteten aus der DDR für alle sehr einprägsam. Zudem ist es auch einfach mal wichtig, zu sehen, dass DDR-Geschichte auch die ehemalige BRD betraf und nicht nur im „Osten“ stattfand.
Darüber hinaus war es schön – nach der langen Coronapause, eine Schülerfahrt miterleben zu können:).“ – Frau Denke

„Es war super interessant und ist auch empfehlenswert für die nachfolgenden Jahrgänge.“ – Emily Wittig, 11eth1

„Das Geschichtsprojekt war für mich ein Highlight dieses Schuljahres. Es war eindrucksvoll und nachhaltig. Natürlich kannte man die deutsche Geschichte bereits aus dem Unterricht, doch der Besuch der Gedenkstätten machte die Vergangenheit greifbar.“ – Elli Krieg

„Der ehemalige Grenzübergang Marienborn zeigt eindrucksvoll, welchen enormen Aufwand das DDR-Regime betrieben hat, seine Bevölkerung zu kontrollieren. All diese Sicherheitsmaßnahmen sind auch ein Ausdruck der Angst vor dem Freiheitswillen des eigenen Volkes. Das ehemalige Flüchtlingslager in Sandbostel zeigt dagegen eine wichtige Etappe junger Männer aus der DDR auf dem Weg, ihr eigenes Leben selbstbestimmt gestalten zu dürfen. Geschichte wurde für uns vor Ort erfahrbar. Mitten auf dem Land stehen die Überreste eines riesen Kriegsgefangenenlagers der Nationalsozialisten, in den 50er Jahren nutzte die BRD die Baracken für Flüchtlinge aus der DDR, danach zog die Bundeswehr ein und heute gibt es dort einen Gnadenhof für Tiere. Und jeder Teil dieser Geschichte ist vor Ort sichtbar. Das war für mich sehr eindrucksvoll.“ – Herr Gierschick

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